Dienstag, 9. Juni 2015

Update vom 15. August 2016: Bauprojekt "Zeise 2"

Der ehemalige Parkplatz hinter den Zeisehallen in Hamburg-Ottensen

"Ein gemischtes Quartier mit einer gesunden Balance zwischen Wohnen, Arbeiten und Leben ist Ottensen bedauerlicherweise nicht mehr." 

Statt jedoch ein positives Zeichen zu setzen und eine gemischte Bebauung voranzutreiben, scheint es so, als ob wieder ein neuer Bürotempel entstehen wird. 


(Stand: August 2016) 

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Zeise 2.0 - mein Report vom 9. Juni 2015
Bürgerbegehren adé – das Bauprojekt "Zeise 2" nimmt lautstark Form an

Dienstag, 9. Juni 2015

Unweit der Zeisehallen, wo heute das „KurzFilmFestivalHamburg“ eröffnet wird, stehe ich inmitten einer donnernden Großbaustelle an der Ecke Friedensallee, während sich Lastwagen und Autofahrer ein begeistertes Hupkonzert liefern. Die Damen im Friseursalon auf der anderen Straßenseite lassen sich trotzdem ungestört frisieren und ihre Coloration im Freien einwirken. Die Wartezeit wird dabei mit einem Milchkaffee verkürzt. Es wirkt beinahe wie ein "bisschen Schanze" - so zwischen Müll, Lärm und Baustellen.

Übrigens, die Schanze war früher mal ein "dynamischer" Raum des freien Lebens und der Kunst zwischen Altona, St. Pauli und Eimsbush. Seit ein paar Jahren ist das Schanzenviertel, wie es in der Behördensprache heißt, endlich auch ein genau abgestecktes Pflaster im Immobilienatlas der Stadt und gehört ganz offiziell zum Bezirk Altona - es muss ja anscheinend alles seine Ordnung haben. Der nächste Schachzug in Sachen Altonaer Stadtplanung heißt "Zeise 2". Näheres dazu auf „zeise2.com“, wie auf der Baustelle zu lesen ist.


(Stand: Juni 2015)

Die „Procom Invest (und Quantum AG)“ bemüht sich auf dieser Internetpräsenz, den Leuten ihre Interpretation über die Sinnhaftigkeit einer wirtschaftlichen Nutzung näher zu bringen. Kritisiert wird ihrerseits vor allem das angeblich mangelhafte Verständnis der Bürger.

Gewerbeflächen gibt es allerdings bereits wie Sand am Meer, während die Mietpreise für Wohnungen in den letzten Jahren (von 2009 bis 2016) um ca. 46% gestiegen sind und Ottensen bekanntermaßen aus allen Ecken und Enden quillt.

Die Arbeitsplätze, die dort entstehen können, sind meiner Meinung nach vergleichsweise austauschbar und keine Bereicherung, denn die Mitarbeiter wechseln einfach nur von ihrem alten Standort hierhin. Außerdem ist in Ottensen die Bebauung sehr dicht und bezahlbarer Wohnraum rar. So sind etliche Förderungen in den vergangenen Jahren ausgelaufen und vergleichsweise neue Sozialwohnungen gebaut worden. Es scheint bei dem Bauvorhaben daher vor allem darum zu gehen, ein weiteres gut verkaufbares Investitionsobjekt zu schaffen, was man auf den Markt bringen kann.

Fakten-Check:

Behauptung:
„Altona ist durch den intensiven Wohnungsbau inzwischen ein fast monostrukturierter Stadtteil, in dem nur gewohnt und kaum noch gearbeitet wird“...

Meine Antwort: Ottensen hat sich nach Ende der Metallindustrie über Generationen hin zu einem belebten und beliebten Familien-Stadtteil entwickelt. Nach der Schanze und St. Pauli kennt man fast kein anderes Viertel, wo so viele Bars, Kneipen und Boutiquen auf einen Haufen zu finden sind. Das Zentrum um den Bahnhof Altona hat inzwischen so viele Bekleidungsgeschäfte etc., dass man die Innenstadt zur Hälfte schließen könnte. Aber auch Kulturschaffende wurden in Altona heimisch und lockten mehr und mehr Besucher in das Viertel. Die sogenannte "Wertsteigerung des Quartiers", um es einmal mit den Worten der Bürokraten und Investoren zu sagen, fand meiner Ansicht erst durch ebendiese Entwicklung statt, die hier kritisiert wird. Aus soziokultureller Sicht war Ottensen außerdem einer der ersten Stadtteile in Hamburg, wo "Multikulti" funktioniert hat, ohne großartig was Ungewöhnliches zu sein.

Behauptung:
„Die älteren Altonaer Bürger und Bürgerinnen erinnern sich vielleicht noch an die Kranfabrik Meck [sic] & Hambrock, die Schiffsschraubenfabrik Zeise, den Pharmahersteller Asche oder den Automobilzulieferer Kolbenschmidt. Diese und viele weitere Unternehmen haben seit den 1960ern bis in die 2000er den Standort verlassen.“

Meine Antwort: Die Unternehmen „Theodor Zeise GmbH & Co.“ oder „Menck & Hambrock“, haben sicherlich das Stadtbild Ende des 19. Jahrhunderts und teilweise auch später geprägt, waren aber Unternehmen aus einer ganz anderen Wirtschafts-Ära, die man wirklich nur schlecht als Beispiele für eine zeitnah verdrängte Industrie nennen kann.

Behauptung:
„Um die Brachfläche endlich zu nutzen, wurde vorläufig eine Mischbebauung mit Wohnraum beantragt. Diese bedurfte einer besonderen Genehmigung. Während dieser Planung kam die Anfrage von WPP zur Ansiedelung von 850 Arbeitsplätzen. Ein Gebäude für Kreativwirtschaft erschien von Beginn an als die schlüssige und lange gesuchte Ergänzung zum Medienzentrum Zeise-Hallen.“

Meine Antwort: 
Die Politik hat bis auf wenige Ausnahmen nicht nur das Bürgerbegehren ignoriert, sondern auch eine sozial-geförderte Bebauung boykottiert. Alle Anwohner nun ebenfalls von der Richtigkeit dieses Prestige-Vorhabens überzeugen zu wollen, ist gelinde gesagt albern. Unterdessen gab es noch einige Entwicklungen einer Initiative. Offizielle Ergebnisse zur abschließenden Sache liegen mir derzeit leider nicht vor.

Quelle

Dienstag, 3. Juni 2014

Quick Schock - Kaffee am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen

Da lag man mal ein paar Tage flach und schon hat die Gentrifizierung wieder zugeschlagen? Das ausgebrannte SUBWAYS wurde komplett abgerissen und auch am Kiosk wird mächtig an der Fassade geschraubt.


„Och nö, was ist denn hier los?“, kann ich dem Blick eines Spaziergängers entnehmen, der ähnlich enthusiastisch wie ich in Richtung Kiosk schreitet und verdattert stehen bleibt.

Weiter zum Bäcker - ich brauche unbedingt 'nen Kaffee, jetzt erst recht!
Auch hier ist irgendwas anders. Normalerweise begrüßt einen die nette Bäckerin, die schon genau weiß, was man bestellen will und ausgerechnet heute wird hier auch mitten im laufenden Betrieb umgebaut. Verwirrt stehen deswegen einige Senioren herum, die über das Angebot an Heißgetränken und Schnittchen diskutieren.

„Wir haben heute leider keinen Latte Macchiato und auch keine anderen Kaffee-Mixgetränke, nur normalen Kaffee!“, schallt es aus Richtung Ladentheke. Aha, ich trinke aber sowieso nur den "normalen Kaffee" und dazu nehme ich noch ein Franzbrötchen.

Update: Aufgrund der großen Beliebtheit liefert der Quick Shop auch während der andauernden Renovierungsarbeiten Kaffee und andere Kostbarkeiten von 5:00 bis 24:00 Uhr. Das Schild wurde inzwischen durch ein rotes Transparent ausgetauscht.

Freitag, 4. Oktober 2013

Soma "Lebenszeichen" - das Album zum Kopfkino

Nach längerer Zeit im Dunkeln veröffentlicht Soma ein Album in Spielfilm-Länge: "Lebenszeichen" ist wirklich ein Titel, der passender nicht sein könnte.

Bereits der erste Track überzeugt! Smoothe Beats mit Xylophon- und Rhodes-Samples werden kombiniert mit Raps, denen man gerne zuhört. Soma steigt ein und beginnt, seine Story zu erzählen.

Der Titeltrack "Lebenszeichen" macht einen neugierig auf die ganze Platte! Angekommen im Soma-Universum geht es gleich weiter mit dem nächsten Mkar-Brett "Indiependent", das auf wundersame Weise aktuelle und klassische Elemente zu einem neuartigen, stabilen Audiomaterial zusammenflext.

Der dritte Track "Was die Zukunft bringt" zeigt eine weitere Facette von Soma, nämlich den Mut zu eingängigen Hooks.

Das gelingt ihm - auch durch den Beat von B.ILL, der in seiner Produktion gern auf Piano-Akkorde, Streicher und Blechbläser zurückgreift, um einen Spannungsbogen zu zeichnen. Soma verwendet im Gegensatz zu anderen Rappern keine Platitüden, sondern verbindet eigene Erfahrungen mit fiktiven Erlebnissen in der Zukunft, was ziemlich humorig rüberkommt.

Der nächste Track "Weg" ist ein interessanter Song, mit dem man vielleicht gar nicht so gerechnet hätte. Das Schlagzeug mit den typischen Drum-Fills und live-orientierten Spielweisen bietet dabei das Grundgerüst für diesen Unplugged ähnlichen Style. Unterstützt wird das Ganze durch die Gesangsstimme von Jule. Lyrisch begibt sich Soma dabei auf bekanntes Terrain, so kennt der geneigte Zuhörer vielleicht noch sozialkritische Tracks wie "Banlieue Spirit" und auf "Weg" agiert Soma ähnlich reflektiert und analytisch.

"Traumfrau" ist hingegen ein echter Stimmungsaufheller vom Feinsten, der irgendwie leichtes 80ties-Feeling aufkommen lässt und wieder guten Wortwitz transportiert. Auch die nächsten Tracks sind eine angenehme Mischung aus ausgefuchsten Mkar-Produktionen und den konzeptionellen B.ILL-Kompositionen. Es schadet auch nicht, dass ein paar Features mit am Start sind, diese aber nicht Überhand nehmen wie bei manch anderen Alben. Klar, dass die andere Hälfte der "Altonative", CB, nicht fehlen darf und sich auf "Astronaut" die Ehre gibt!

Auch Mac Horn und der mir bis dato unbekannte Ileven haben auf einer Neuauflage von "Gleichgewicht" einen Part bzw. Hook in petto. Abschließend lässt sich noch sagen, dass man für den geringen Obolus von knapp sechs Euro keine Keramik-Bratpfanne, keinen Bauchtrainer und kein iPhone 5 kriegt, aber man bekommt dafür 13 abwechslungsreiche Tracks von Soma aus Hamburg.
https://www.facebook.com/SOMAAUSHAMBURG

Mittwoch, 11. September 2013

Mietenwahnsinn und soziale Verdrängung in Altona

(Platz der Republik, Ottensen)

Die strukturellen Veränderungen in Hamburg-Altona sind spätestens seit dem Ikea-Bauvorhaben und dem Projekt ‚Neue Mitte Altona’ in aller Munde.
(Neue Große Bergstraße, Altona-Altstadt) 

Viele Investoren sehen vor allem in Ottensen, Altona-Altstadt und St. Pauli großes Potential. Doch die Meinung innerhalb der Bevölkerung hinsichtlich der zahlreichen Baumaßnahmen ist äußerst gespalten. So geht eine Aufwertung des Milieus stets mit einer sozialen Verdrängung einher. Viele alteingesessene Bürgerinnen und Bürger werden in naher Zukunft den Mieterhöhungen nicht mehr standhalten können und ins Hamburger Umland umziehen müssen. Zum Gespräch traf ich heute den Rapper und selbsternannten ‚Exil-Altonaer’ MC Loink, der in seinem Musikvideo ‚Traum’ die momentane Wohnungsnot thematisiert und damit wahrscheinlich vielen aus der Seele sprechen wird.
(Ausschnitt aus dem Musikvideo "Traum") 

Loink, beschreib bitte kurz die Botschaft deines Videos und erzähl, was dich besonders an Altona fasziniert bzw. warum es für dich so schlimm war, von dort weg zu ziehen. „Als ich vor einigen Jahren aus Altona wegzog, habe ich mich oft gefragt, warum die Mieten in Altona so extrem gestiegen sind und warum ich mir damals nur eine Wohnung an der Grenze zu Schleswig-Holstein leisten konnte. Das war auch die Zeit, in der mein Stammcafé in der Bahrenfelderstraße geschlossen wurde und mein Lieblingsimbiss, wo ich nach meinen Besuchen in Altona oftmals eine Currywurst gegessen habe. Zu der Zeit wurden in Ottensen auch immer mehr nichtssagende Coffee-To-Go-Läden und ein paar schicke Bars eröffnet und das Klientel hat sich ziemlich rasch gewandelt. In dem Song habe ich versucht, meinem Ärger etwas Luft zu machen. Ich hatte immerhin mein bisheriges Leben dort verbracht und daher war vor allem Ottensen Teil meiner Identität.“
(Bahrenfelderstraße, Ottensen) 

Früher zog man zum Studieren vom Land in die Stadt, heute ist das oft umgekehrt. Läuft da irgendetwas falsch, Loink? „(Lacht), ja wenn du mich fragst, läuft da sicherlich etwas falsch. Gerade in den großen Städten wie Hamburg und Berlin fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Ich kenne viele, die für ihr Studium in eine Kleinstadt wie Kiel oder sogar ans andere Ende von Deutschland gezogen sind. Scherzhaft bezeichne ich mich daher oft gern als ‚Exil-Altonaer’, um zu betonen, dass ich mich immer noch mit dem Stadtteil verbunden fühle und eigentlich nur unfreiwillig von dort weggezogen bin.“
(MC Loink, Kemal-Altun-Platz, Ottensen) 

Was möchtest du unseren Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben, die sich von deiner Message angesprochen fühlen oder einfach gar nichts damit anfangen können? „Also, ich bin sicherlich nicht der Erste, dem das aufgefallen ist. Allerdings glaube ich, dass es einige Leute gibt, die sich schon mit diesem Dilemma abgefunden haben. Ich für meinen Teil finde, man sollte die Anwohner bei größeren Vorhaben mitentscheiden lassen. Ansonsten wird das ‚soziale Flair’, was nicht nur in Altona, sondern z.B. auch in Berlin-Kreuzberg immer mehr ausgeschlachtet wird, bald verschwunden sein und Ottensen ist dann auch nur noch ein Architektenstadtteil, so wie die Hafencity. Also schaut euch mein Video an oder geht ins Altonaer Museum – solange es noch da ist.“